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SDG 1 & 10: "Bezahlbarer Wohnraum": Eine Frage von Armut und Ungleichheit? – Teil 1

SDG 1 & 10 Landscape View

Source: Image Bukowski, taken on 26.10.2019

In vielen Gesellschaften in Europa und weltweit ist die berechtigte Sorge um “bezahlbaren Wohnraum” ein zentrales Thema, ebenso wie der damit einhergehende Prozess der armutsgetriebenen Binnenmigration, inklusive Vertreibungen durch Gentrifizierungsprozesse. Das sinkende Angebot an preislich angemessenem und nachhaltigem Wohnraum, besonders in urbanen Räumen, hat mittlerweile Dimensionen erreicht, die zu einer zunehmenden Wohnungskrise führt (Crisp et al. 2017). Dieses Phänomen betrifft nicht nur große, namhafte Städte wie London, Paris, Berlin oder München, sondern auch zunehmend kleinere und mittlere Städte, und macht auch vor österreichischen Städten nicht halt. Eine Verbindung zwischen Wohnen und Armut/Ungleichheit wird dabei zunehmend evidenter (ibid.; Dimmel et al. 2014). Auch wenn wohnraumkostenbedingte, steigende Armutsquoten inzwischen sogar Haushalte mit mittlerem Einkommen erreichen, haben diese Entwicklungen ungleich gravierendere Auswirkungen auf bereits von Armut bedrohte und betroffene untere Einkommensgruppen (Crisp et al. 2017). In diesem Zusammenhang kommt es oft zu wechselseitigen Beziehungen von sozialer Ungleichheit und Wohn- bzw. Lebensbedingungen. Häufig siedeln zudem Personengruppen, die einer ähnlichen Schicht angehören, räumlich nah beieinander. Dies kann zur sozialen und räumlichen Segregation beitragen, welche wiederum Einfluss auf die gesellschaftliche Teilhabe, Lebensqualität und Möglichkeiten, die eigene Situation zu verbessern haben, besonders für untere Einkommensgruppen. Auch wenn österreichweit diverse Maßnahmen zur Wohnunterstützung sowie sozialer Durchmischung von Wohngebieten existieren, gibt es zunehmende Veränderungen städtischer Bewohnerstrukturen zugunsten mittlerer und höherer Einkommensgruppen [1] (Troger 2018). Der stetig steigende Bedarf an leistbaren Wohnraum wird zunehmend ungleicher gedeckt, gerade im Hinblick auf ärmere Haushalte. Wohnorte können zudem, im schlimmsten Fall, zu Orten der Ausgrenzung dieser Bevölkerungsschichten werden (Kellerhoff 2014, Lamei et al. 2015, Bauer et al. 2015; Deckl 2012).

Die Verbindung zwischen Armut, Ungleichheit und den Thema „Wohnen“ ist sowohl für die Armuts- als auch für die Ungleichheitsforschung (SDG 1 und SDG 10) gleichermaßen relevant. Das ist einer der Gründe, warum wir uns für die Optionengenerierung diesem Thema zugewandt haben. Im Folgenden, wird ein Überblick unserer SDG Perspektiven zum Thema gegeben sowie Einflussfaktoren aufgelistet. Die ersten Auswertungen zur ausgewählten „Option: „Sustainabliity of Regulated Land Use (incl. Suspension of Settlement Buildings[2])“, werden in der nächsten SDG 1-und SDG 10 Reflexion (Teil II. ff.) behandelt. Hierzu werden erste Ergebnisse des „Inequality and Poverty Assessment“ sowie Auswertungen einiger Expert_inneninterviews vorgestellt.

[1] Diese Veränderungen weisen, im Fall Wien z.B. „steigende Segregationstendenzen“ (Troger 2018, S. 17), besonders zwischen unterschiedlichen gebildeten Bevölkerungsschichten auf.

[2] Deutsch SDG 1 Option H1a: Verbesserte Nachhaltigkeit in der Regulierten Flächennutzung (inkl. ggf. Wohnbaumoratorium)

Präambel: Armut und Wohnen

Armut und Ungleichheit gehen hinsichtlich Fragen der Wohnraumverteilung und Verteilung von „gerechten Zugängen zu Wohnraum“ einher. Geprägt von sozialen und ökonomischen Entwicklungen (Kaelble 2017, Huber 2013), wird eine Verteilung von Armut und von armutsgefährdeter Gruppen, u.a. durch den nationalen Vergleich von Einkommen (Äquivalenzeinkommen) und Deprivationsquote ersichtlich. Der Grad der Ungleichheitsverteilungen wird z.B. durch den Gini-Koeffizienten bzw. (räumlich) Segregations- bzw. Dissimilaritätsindex ermittelt. Diese Daten geben wiederum Auskünfte über Ausschließung bestimmter Gruppen aus gesellschaftlichen Prozessen (Kronauer 2015, Huber 2013) und liefern die Datenbasis zu Untersuchung sozialräumlicher Umverteilungsprozesse (Segregation) und räumlicher Konzentration (Troger 2018). Armutsgefährdete und von Armut betroffene Haushalte sind hierbei besonders gefährdet, auch in räumlicher Hinsicht. Starke Ungleichverteilungstendenzen bedingen oft auch die Zugänge zu angemessenem Wohnraum und können zu Segregationsprozessen von Wohngebieten führen bzw. diese verstärken. Das bezieht sich auch auf die Zugänge zum Wohnungsmarkt, die Wohnungsqualität, angemessene Quartiers- und Wohnumfeldbedingungen und auf die Qualität der Infrastruktur etc. (Kronauer 2015, Huber 2013).

Statistische und empirische Studien zeigen, dass Armutsquoten höher sind, wenn Wohnkosten in die Kalkulation miteinbezogen werden, mit starken regionalen Variationen in der Differenz zwischen den Armutsquoten vor und nach Abzug der Wohnkosten (Crisp et al. 2017, Desmond 2016, Dimmel et al. 2019). Die Mieten, Eigentums- und Grundstückspreise sind gegenüber den Einkommen überproportional gestiegen.

SDG 1 & 10 Ratio Income Prices Housing Graph

Source: Hölzl & Hubner Immobilien 2018, Stadt Salzburg (2019). Draft: Andreas Koch
Figure to: Development of the land and housing prices in relation to income and consumer prices

Es gibt ebenso signifikante Wohnartendifferenzen hinsichtlich des Armutsrisikos, mit hohen Armutsvulnerabilitätsraten der Bewohner innerhalb der sozialen und privaten Mietsektoren (Crisp et al. 2017; Tunstall et al. 2013). Allerdings sind Mieter innerhalb des Privatmietsektors, den Studien zufolge, eher von Energiearmut betroffen (Crisp et al 2017, Desmond 2016, Balas 2011). Die hohen Wohnkosten im gemeinnützigen Segment konterkarieren zudem eine breite soziale Durchmischung und fördern weitere räumliche Segregation von hohen und mittleren Einkommensschichten (Koch 2020). Angetrieben durch das schrumpfende Angebot an bezahlbarem städtischen Wohnraum für untere Einkommensgruppen, werden die unteren Einkommensschichten dabei allmählich in die wenigen verbliebenen Gebiete, die ihnen finanziell zugänglich sind, verdrängt. Sogenannte „Armutsinseln“ entstehen in den urbanen Räumen, oder es erfolgt eine Verdrängung ins Umland (Koch 2020, Kronauer 2015, Raab 2017). Im schlimmsten Fall kann dieser Prozess sogar in die Obdachlosigkeit führen (EcoAustria 2018, Abbé Pierre Foundation et al. 2018).

1.2 „Leave no one behind“

Eine beunruhigende Entwicklung, die das Thema Armut und Wohnraum in Europa aufzeigt, ist die Steigerung der Obdachlosenquote, die das Verfehlen des Nachhaltigen Entwicklungsziels: „Leave no one behind“ besonders in den Vordergrund stellt. Zahlreiche Studien belegen in diesem Zusammenhang einen besorgniserregenden Prozess, der von gestiegenen Obdachlosenquoten und absoluten Armutsraten in Europa geprägt ist (Gaisbauer et al. 2019, Abbé Pierre Foundation et al. 2018). Demnach stieg beispielsweise die Obdachlosenrate, außer in Finnland, in ganz Europa signifikant an, auch in Österreich (+ 32 %) (Abbé Pierre Foundation et al. 2018).

Dabei ist das Recht auf adäquaten Wohnraum ein international anerkanntes Menschenrecht, welches in der UN Menschenrechtsdeklaration (1948) und in dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (kurz UN-Sozialpakt) als multilateraler völkerrechtlicher Vertrag verankert wurde. Bereits 1966 wurde dieser von der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet und ist mittlerweile von 170 Staaten (Stand 2019) [3] anerkannt worden, darunter auch von Österreich. In Bezug auf Wohnen und Armut und Ungleichheit besteht dringender Handlungsbedarf, sollen diese Quoten nicht noch weiter steigen und Ausmaße erreichen, die den sozialen Frieden gefährden und zu Stadtbildern, wie in ärmeren Ländern und den USA, führen, mit informellen Bauten und Lagern im Stadtgebiet und seinen Rändern.

Aufgrund der Begrenzung dieser Ausarbeitung, wird die Entwicklung von Obdachlosenzahlen in diesem Optionenpapier nur am Rande Erwähnung finden. Die vorliegende SDG 1 Optionenauswahl (inkl. Sub-Optionen) zu „Bezahlbarem Wohnraum“ ist hier eher als präventive Maßnahme gegen weitere Steigerungen der Obdachlosenzahlen angedacht. Daher wird diese Entwicklung hier vorerst nur marginal behandelt, aber als wichtiges „Armuts- und Wohn-Thema“ im Weiteren untersucht.

1.3 Einflussfaktoren Wohnungsmarktentwicklung mit Bezug zu Armut

Laut der wissenschaftlichen- und Fachliteraturrecherche[4] gibt es eine breite Anzahl von verstärkenden Einflussfaktoren, Wohntrends, politischen Entscheidungen sowie ökonomischen Entwicklungen, die ihren Beitrag leisten, um diese Situation herbeizuführen und/oder zu verstärken.

  • Urbanes Bevölkerungswachstum
  • Anstieg der Wohnfläche je Einwohner
  • Trend zu Singlehaushalten
  • Partielle Neoliberalisierung der Wohnungspolitik führte zu einer Liberalisierung des Mietrechts (d.h. u.a. Einschränkung der Mieterreichte, befristete Verträge), Flexibilisierung Mietzinsfestsetzung, Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, Einführung Mietkaufoption (die wiederum eine Loslösung von Sozialbindung zufolge hat) (Vollmer et al. 2018).
  • Zunahme des Immobilienerwerbs zu Zwecken der Profitmaximierung resultiert(e) in ein verringertes Angebot bezahlbarer Wohnangebote (Raab 2017, Kellerhoff 2014, Huber 2013, EcoAustria 2018).
  • Zudem führt die Niedrigzinspolitik (u.a. von EZB und FED) zu einer Umlenkung von Spar- und Investitionseinlagen in Immobilien als sichere und ertragreichere Investition (u.a. als Altersvorsorge und Vermögensanlage) (Capelle-Blancard et al.2011)
  • Als Bsp. für kommunale Entwicklungen mit –Blick auf Wien– bedeutet das die Einstellung des Neubaus von Gemeindewohnungen (mit Ausnahme von Dachgeschosswohnungen).
  • Das führt u.a. zu einer Nichterweiterung des preisgünstigsten Sektors am Wohnungsmarkts, was in Anbetracht des anvisierten Bevölkerungswachstums bis 2020 eine Neubauleistung von nicht mehr als 8% in diesem Segment bedeuten würde (Vollmer et al. 2018).
  • Diese profitorientierte Immobiliennachfrage übersteigt dabei den sozialen und kulturellen Wert von Wohnraum (Tunstall et al. 2013, Schwarzbauer et al. 2019)
  • Aus den oben erwähnten Entwicklungen und neoliberalisierten, wohnbaupolitischen Gegebenheiten resultieren eine zunehmende Abhängigkeit vom Privatmietsektor und steigende Wohnkosten, was insbesondere untere Einkommensklassen trifft
  • Die Versorgungslücke hinsichtlich bezahlbarem Wohnraum mit Sozial- und Gemeindewohnungen, wird durch die oben genannten Entwicklungen weiterwachsen und den Bedarf immer weniger decken können (Serme-Morin et al. 2018, Vollmer et al. 2018).
  • Das zeigt sich u.a. auch in anderen Verwertungsformen von Wohnimmobilien (zum Beispiel Zweitwohnsitz, Kurzzeitvermietung, Leerstand)
  • Reformen von sozialen Unterstützungen im Wohnungssektor reduzierten nicht nur die Einkommen, sondern erschweren zudem den Zugang zu sozialem Wohnraum für ärmere und prekäre Haushalte (Crisp et al. 2017) [5]

[4] d.h. neben wissenschaftlichen Studien wurden auch Dokumente, Statistiken, Berichte (u.a. Gesetzestexte, Verordnungen, staatl. Publikationen, NGO Berichte et al.) herangezoge

[5] Veränderungen der Wohnungsvergaberichtlinien für die Stadt Salzburg haben z.B. eine fünfjährige Wohn- oder Beschäftigungspflicht im Stadtgebiet sowie die Festlegung eines Drittels des Gesamteinkommens für die Mietzahlung zur Folge. Eine Maßnahme, die höhere Einkommen überproportional begünstigt und ärmeren den Zugang erschwert. (Stadt Salzburg 2018).

1.4 Umwelt, Wohnen und Armut

Weitere Faktoren, die die Wohnsituation, insbesondere für untere Einkommensklassen und arme Menschen erschweren, sind die negativen Folgen von Naturgewalten und klimawandelbedingter extremer Wetterereignisse. Zum einen, weil die Anpassungskapazitäten[6] vulnerabler Menschen und Gemeinschaften sehr beschränkt sind. Demnach gibt es kaum Ressourcen, weder finanziell noch anderweitig, um sich an veränderte Bedingungen anpassen zu können oder auftretende Schäden und Präventionsmaßnahmen zu kompensieren (Bukowski 2017, Adger et al. 2014, Grothman et al. 2011). Zum andren leben Menschen mit niedrigem Einkommen oft in Wohnungen und Häusern, die die Tendenz aufweisen, ob ihrer mangelnden Bauqualität, besonders anfällig für Schäden und Belastungen sind (inkl. fehlende Dämmung gegen Hitze/Frost, Nässe etc.). In diesem Sinne ist auch der Standort nicht zu vernachlässigen. Vermehrt gibt es Wohngebiete, die umweltbedingten Belastungen (Überschwemmungen, Hitze, Lawinen, Erdrutsche, Muren-Abgänge, aber auch Luftverschmutzung, Verkehrslärm, etc.) ausgesetzt sind (Balas et al. 2011, Munich Re 2018). Nicht nur auf der globalen Ebene variieren die Ungerechtigkeiten.

Die hohen Lebestile und Ressourcenverbräuche der einen Gruppe, gehen auch im nationalen Vergleich, zu Lasten einer anderen Gruppe (Adger et al 2014, Winges et al. 2015, Grothman et al. 2011). Auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft gibt es diese Ungleichheiten. Zumeist sind die Betroffenen, die sozial schlechter Gestellten, die sowohl gesellschaftlich als auch durch verstärkte Umweltbelastungen benachteiligt sind (BMLFUW 2012). Prekäre Wohn- und Lebensverhältnisse, niedrige Einkommen, oftmals unzureichende öffentliche Dienstleistungen und Infrastrukturmängel (in einigen urbanen Vierteln, Stadtrandgebieten, aber auch in außerstädtischen, ländlichen Gebieten) tragen zur Vulnerabilität dieser Betroffenen bei (BMLFUW 2012).

[6] Die sozialwissenschaftliche Vulnerabilitätsforschung legt ihren Schwerpunkt auf die Analyse vorhandener Restriktionen in sozialen Systemen (z. B. Armut, soziale Gerechtigkeit), um auf Stressoren zu reagieren. Sozialwissenschaftliche Konzepte wie „adaptive capacity“ und „resilience“ beziehen sich auf die Fähigkeiten von Systemen, sich an ganz unterschiedlichen Herausforderungen oder Stressoren (nicht nur den Klimawandel) anzupassen und realisieren somit eine notwendige Kontextualisierung des Klimawandels (GROTHMANN 2010)

1. Wohnpolitische Maßnahmen

Allerdings dürfen bei aller Kritik nicht die positiven Entwicklungen und Maßnahmen zur Unterstützung der „bezahlbaren“ Wohnsegmentschaffung vernachlässigt werden, wenn diese Maßnahmen auch oft zu kurz greifen, um die steigende Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum zu decken. Hierzu eruiert EcoAustria (2018 und 2019) beispielsweise verschiedene wohnungspolitische Maßnahmen wie die Mietpreisregulierung, welche heute bereits 70% der Mietwohnungen in Österreich tangiert, aber, laut den Verfassern des EcoAustria Berichts (2019), leider eher das Problem verschärfen, aufgrund höherer Nachfrage bei gleichzeitig sinkenden Anreizen für Investitionen. Ähnlich wird auch über die Maßnahme einer Reduzierung der (Wohnungsbau)-Mehrwertsteuer diskutiert (ebenda). Denn auch das würde das grundsätzliche Problem der Wohnungsknappheit bzw. finanzierbare Wohnraumverfügbarkeit nicht lösen, da längerfristige Treiber steigender Mieten weiterwirkten (Schwarzbauer et al. 2019). Der soziale Wohnbau, wie er derzeit in Österreich praktiziert wird, scheint ebenfalls nur bedingt eine Lösung zu generieren, obwohl bereits rund 20 % aller Östereicher_innen und rund 45 % der Wiener_innen heute bereits in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung leben (Schwarzbauer et al. 2019; van Hametner et al. 2019). Aufgrund mangelnder Bedarfsüberprüfungen und erschwertem Zugang (wie oben erwähnt) sind diese Wohnsegmente allerdings nur bedingt Zielgruppenorientiert (dabei gibt es sogar in Bedarfsfall Mietkostenzuschüsse) (Vollmer 2018 et al.). Allerdings greift auch diese Maßnahme nicht weit genug, um das grundsätzliche Problem der Wohnversorgung angemessen zu lösen, besonders im städtischen Raum (Schwarzbauer et al. 2019). Ein weiteres Instrument wohnungspolitischer Maßnahmen, das in der Literatur Erwähnung findet, ist die private Wohnbauförderung. Diese könnte, laut Schwarzbauer et al. (2019), zur Entschärfung bestehender Zielkonflikte zwischen Wohnbau- und Energiepolitik beitragen und positive Effekte auf die Erreichung leistbaren Wohnraums haben. Zudem bestünden in der aktuellen Ausgestaltung der Wohnbauförderung erhebliche Effizienzpotentiale von österreichweit rund 435 Mio. Euro (EcoAustria 2018 und 2019). Dennoch darf angezweifelt werden, ob dieser Lösungsansatz, in Anbetracht des erhobenen Leerstands (von ca. 5000 Wohnungen allein in Salzburg[7]) (SIR 2015) sowie der vermehrten Nutzung als Zweitwohnsitze oder als profitable Ferienwohnungen (inkl. AirBnb) wirklich zielführend ist. Die veröffentlichten Zahlen legen jedoch nahe, dass bereits genug Bauland und Wohnflächen zur Verfügung stünden. In diesem Sinne hat bereits Davy (2000) von einem Baulandparadoxon gesprochen. Andere, wie Kopatz (2016) und Fuhrhop (2015), ziehen aus diesen Überlegungen und der Tatsache, dass trotz ausreichenden Immobilien- und Baulandbestands die Miet- und Baupreise weiter steigen, die Konsequenz und fordern dementsprechend ein Wohnbaumoratorium.

Eine weitere Idee, die nicht nur von den Ökonomen des EcoAustria Berichts, sondern auch von Stadtplanern und Humangeographen beschrieben wird, ist eine stärkere Integration von Stadt und Umland. Durch engere Zusammenarbeit und vermindertes Konkurrenzdenken zwischen Land und Stadt sowie verbesserte infrastrukturelle Erschließung, inkl. attraktivere Angebote im öffentlichen Verkehr, sollen Mieter_innen im stark nachgefragten Innenstadtlagen durch eine Dämpfung der Mietpreise ebenso profitieren, wie Mieter_Innen im Umland von Städten (Schwarzbauer et al. 2019). Das kann aber nur gelingen, wenn die Stärkung der Regionalplanung mit einer Bindung der Baulandausweisungen der Kommunen an überörtliche Gegebenheiten einherging. Die Novellierung der ROG wird zeigen, ob sie diesen Überlegungen der Expert_innen angemessen Rechnung tragen und weit genug greifen. Bisher greifen die genannten Maßnahmen (oder (Sub)Optionen) teilweise nicht für Haushalte mit unterem Einkommen, sondern fördern eher die Mittelschicht.

[7] Erhoben u.a. mittels Wohnsitzstatus, Stromverbrauch etc. SIR 2015

To be Continued

Literatur Teil 1:

Adger, W.N., Paavola, J. (2006): Analysis Fair Adaptation to Climate Change. Elsevier, Ecological Economics Vol. 56, USA, pp. 594 – 609.

Andrachuk, M.; Armitage, D. (2015): Understanding of socio-ecological change and transformation through community perceptions of system identity. Ecology and Society Vol. 20, Issue 4, 26 pp.

Balas, M.; Felderer, A. ; Lexer, W.; Stickler, T. (2011): Soziale Aspekte des Klimawandels und Handlungsempfehlungen für die Raumordnung. Beitrag zur nationalen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Bundesumweltamt Österreich, Wien. Österreich.

Bauer, A./ Klapfer, K. (2015). Wohnungslosigkeit in Österreich. Abgestimmte Erwerbsstatistik 2012. Registerbasierte Statistiken. Haushalte, Schnellbericht 10.22. Statistik Austria. Wien. Österreich.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (2012): Die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel Teil 1 - Kontext Gesamtkoordination: BMLFUW, Abteilung V/4: Immissions- und Klimaschutz, Stubenbastei 5, 1010 Wien

Capelle-Blancard, G.; Monjon, S. (2011): Trends in the Literature on Socially Responsible Investment: Looking for the Keys Under the Lamppost. Business Ethics, A European Review, No 21 (3).

Chwistek, P. (2013):Obdachlose EU-Bürger_innen und die Wiener Wohnungslosenhilfe. Soziales_kapital wissenschaftliches Journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale Arbeit. Nr. 10 (2013) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Wien. http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/291/487.pdf. Zugriff 29.09.2019

Crisp, R.; Cole, I.; Eadson, W.; Ferrari, E.; Powell, R.; While, A. (2017): Tackling poverty through housing and planning policy in city regions. JFR (Joseph Rowntree Foundation). UK, S.1 – 95.

Davy , B.(2000): Das Bauland-Paradoxon. Wie planbar sind Bodenmärkte? In: Klaus Einig (Hg.): Regionale Koordination der Baulandausweisung. Berlin: VWF: S. 61–78. BRD.

Dimmel, N.; Schenk, M.; Stelzer-Orthofer, C. (2014): Handbuch Armut in Österreich. Studien Verlag, Innsbruck, Wien. Österreich

Dollinger, F. (2019). Raumordnung im Widerstreit politischer Interessen. In: In: Salzburger Jahrbuch für Politik 2018. Dirninger C., Heinisch R., Kriechbaumer R., Wieser F. (Hrsg.), Wien Köln Weimar. S. 204 – 231.

Huber, F. J. (2013): „Stadtviertel im Gentrifizierungsprozess“, Wiener Verlag für Sozialforschung und Europäoscher Hochschulverlag GmbH & Co. KG Bremen, Wien, Österreich.

Kaelble, H. (2017): Mehr Reichtum, mehr Armut. Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Campus Verlag. Frankfurt am Main. Deutschland www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-25881 . Aufgerufen am 30.09.2019

Kellerhoff, J. (2014): Soziale Ungleichheit am Wohnungsmarkt. Dissertation.Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Sozialwissenschaft. BRD. https://hss-opus.ub.ruhr-uni-b... (Aufgerufen am 20.09.2019)

Koch, A. (2020): Wohnen in der Stadt Salzburg. Zum Verhältnis der Wohnung als Ware und dem Wohnen als soziale Infrastruktur. (Working Paper). Salzburg. Österreich.

Kopatz, M. (2016): Kommunale Suffizienzpolitik Strategische Perspektiven für Städte, Länder und Bund. Kurzstudie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND). BRD.

Kronauer, M. (2015): „Gentrifizierung. Von Polarisierung unserer Städte“ Vortrag Heinrich-Böll-Stiftung, Grüne Akademie, BRD.

Lamei, N.; Angel, S.; Heuberger, R.; Oismüller, A.; Glaser, T. ;Göttlinger, S.; Kafka, E.; Skina (2017): Armut und soziale Ausgrenzung 2008 bis 2016. Entwicklung von Indikatoren und aktuelle Ergebnisse zur Vererbung von Teilhabechancen in Österreich. Studie der Statistik Austria im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Vertrag BMASK-57161/0005-V/B/4/2017